Clemens Pongratz
„Der Odel ist ein schleziges Wesen“
Wasserleitung und Abwasser im alten Kötzting

Mit diesen Worten brachte der Pfarrer und Prior von Kötzting, Pater Gregorius Mack (1759–1776 Pfarrer in Kötzting,  1776–1801 Abt im Benediktinerkloster Rott), sein Problem wegen eines geplanten Kanalbaues auf den Punkt. In einem Gedächtnis-protokoll, „Pro Memoria“ beschriftet, berichtet er von den Ereignissen um seinen Kanalbau beim Pfarrhof (Priorat) und zur Entstehungsgeschichte.
Zuerst schildert er die Hauptwasserversorgungsleitung  von Altkötzting. Diese Anordnung der fünf Brunnen ist zumindest seit 1635 nach der Zerstörung durch die Schwe-den gleichgeblieben. Hinweise aus den älteren Rechnungen des Kastenamtes lassen den Schluß zu, daß auch die Vorläuferleitung eine ähnliche bis gleiche Struktur hatte.
„Das gemain Wasser allhiesigen Markts entspringt immediate in KlosterRotischen Gründen, nemlichen in denen gemains Gründen der mit dem dominio directo zu unserm Kloster gehöri-gen dorfschaft Grädis und wird durch die Gehestorfer Gründ, welche ebenfalls nach Kloster Rot lechenbar sind, bis es neulichen in die Marcktsgründ kommet, in Röhren geführet. Dises Wasser dann,  welches die Kötztinger schon in seinem Ursprung dem Kloster zu danken haben, gleichwie sovill anderes, flüsset nebst der St. Veith Kirchen in den alldorten aufgerichten ge-mainen Brunnen Kasten, von diesem widerumb in einen 2. neben des Georg Auzingers Behau-sung (jetzt Bäckerei Pongratz), und von da aus in den 3ten neben dem Esterl Kramer (jetzt un-terer Ausgang  des Kaufhauses Wanninger, vorher Dr. Angerer) hiervon nacher in den 4ten nebst dem Rathaus stehenden Brunnenkasten. Bey diesem Brunnenkasten nun befindet sich ein Wechsel, durch welchen die einte Helfte von diesem ganzen und letzten Abfall des gemaind Wassers  in das bürgerliche Preuhaus und die 2te in den neben unserem Pfarrhof befindlichen Brunnen grand, respective 5ten Brunnenkasten gelaitet wird. Das Abwasser hiervon genüsen wir von unfürdenklichen Jahren in unserer Paint (Privatwiese), und flüsset solches nicht per accidens, und ohne anlegung einer menschlichen Hand, wie der Magistrat unwahrhaft vor-schreibet, sondern mittls einer in dem Grand befindlichen Pippen wurde solches vorhin in de-nen gelegten und von Zeit zu Zeit reparirten Rinnen in die Wiß zur benöthigten Wässerung hin-ausgelaithet.“
Aus dem Zusatz „wie der Magistrat unwahrhaft vorschreibt“ zeigt sich schon, daß dieses Schreiben Teil eines Verfahrens war, das aber weniger der Sache wegen geführt worden ist, sondern Teil eines jahrelangen Zwistes zwischen den Personen Pfarrer Mack auf der einen Seite und Kammerer Luckner auf der andern war.
Weiter führt er nun aus : „Als ich in anno 1759 zu meinem dermaligen Amt angestellet wurde ware die erste und fast einzige Beschwerde, welche mir einige unter unserm Pfarrhof nebst dem Regen liegente Bürger vorbrachten, nemlichen das sie so grosse Ungemach durch unseren  S.V. (mit Verlaub) Viehstählen und tungetstatt zwischen ihren Behausungen in den Regen hinabflü-senten Odel und Wildgewässer besonders zur Winters Zeit, wann die ausguß Rinnen Verfroren, oder eine Wassergüss sich ergebe, zu leyden hätten, wo nicht selten geschehe, daß sie in ihren Kammern und Kellern fast unleidentlich gestanck erdulten mußten.“
1760  brachten dieselben Bürger anläßlich eines Ortstermins des Pfarrers mit einem Maurermei-ster und Zimmermann von Kötzting wieder diese Beschwerde an. Beide Handwerker wußten auf Anhieb keine Lösung, versprachen aber, sich der Sache anzunehmen. Der Maurermeister unterbreitete einen Vorschlag: „Es kunnte aber kostbar werden.“ Er schlug vor, einen Kanal zu graben, um das Wildwasser nicht auf die Regenseite sondern in die kircheneigene Paint zu füh-ren. Die Paint ist in etwa das Areal, das unterhalb des alten Krankenhauses zu der Auwiese hin liegt. Der  Pfarrer aber ist skeptisch, denn „were dies aber ein sicheres Mittel? Wie wann der Kanal sich versetzte. Der Odel und was von der tungetstatt mitlauffen soll, ist ein schläziges Wesen, so sich überall anlagert.“

Beachte den Garten des Gschwandhofes und den Grundriss des Hotels zur Post.

Abb. 1: Planskizze zum Abwasserstreit zwischen P. Gregorius Mack und Kammerer Samuel Luckner 1771. Abgebildet ist der südliche Teil der Herrenstraße. Zur Orientierung:  Pfarrhof (links) jetzt Neues Rathaus, Gschwandhof (rechts oben) heute TCM-Klinik. Deutlich sichtbar der 1760 gegrabene Kanal, der am Gebäude des jetzigen Amtsgerichtes vorbei in die Wiesen hinunter führt. Bemerkenswert ist auch das Gebäude in der Bildmitte unten, der Gasthof des Kammerers Luckner, heute Hotel zur Post. Die Eingangssituation und der Grundriß der Gast-stube blieben bis heute nahezu unverändert. (StA La, Rep. 97e, fasc. 793 Nr. 834).
 
 
 
 
 

Aber der Zimermann wußte Rat: „Hier ist gar leicht zu helffen. Wir dürffen einzig 2 Rehren einlegen und das von dem Brunnen Grand ohnehin in die Paint genüssente Abfahlwasser mit-tels eines kleinen aufzusetzenden Röhrenstöckhls anvor in den Pfarrhof hineinrichten, so kön-nen sie solches in den Stählen haben und von da aus in den Kanal lauffen lassen, wo sie von dessen versetzung nichts mehr zu beförchten haben weil das beständig  flüssente Wasser den Odel immer mitnimmet und den Kanal sauber hält.“
In einem Detailplan ist recht gut zu ersehen, wie das Brunnenwasser zuerst in den Viehtränken genutzt wird, bevor es in einem Auffangbecken zusammen mit dem Wildwasser und Odel aus den Viehställen zusammengefaßt wird und dann in dem Kanal abfließen kann. Auch das Wasser aus dem Fischbehälter, das früher einfach den Hang hinab in den Regen gelassen wurde, wird jetzt zu dem neuen Kanal geführt. Dieser Kanal mußte in schweren Felsen hinein gehauen wer-den und führt in der Straße um das Kalbhaus herum (jetzt Kaufhaus Gartner) und dann neben dem Zehentstadel in die Paint.

Detail der Wasserleitung beim Pfarrhof
Abb. 2: Der Situationsplan zum Priorat Kötzting vom Jahre 1771 erläutert, wie zehn Jahre zu-vor das Abwasserproblem gelöst wurde. (StA La, Rep. 97e fasc. 793 Nr. 834)
 
 
 

Der daraus sich ergebende langjährige Streit und Rechtsstreit ist hier nicht Thema und soll in einer späteren Würdigung der sehr eigensinnigen Persönlichkeit des Kammerers Luckner seinen Platz haben, der aber, so viel kann hier bereits gesagt werden, in dem Pfarrherren Mack einen durchaus ebenbürtigen Gegenspieler fand.
Das Marktwasser wurde also in einer Kette von Brunnen den Markt herabgeleitet, wobei das Ab- oder Überfallwasser drucklos von einem Brunnengrand zum anderen lief. Die Qualität des Wassers wurde natürlich  von Brunnen zu Brunnen schlechter und  kann nur erahnt werden.  Ein Hinweis darauf findet sich auch in dem Schreiben Pfarrer Macks .
Cammerer Luckner schlug vor, der Pfarrhof sollte sich mit dem Wasser des Fischbehälters be-gnügen. Darauf antwortete Pfarrer Mack: „Der Vorwurf aber sonst könnte ich mich mit den aus dem sogenannten Baadbrunnen (ein von der Kette der Brunnen isolierter einzelner Brunnen vor dem Trunkenpolzhaus, Marktstraße 9) gegen eine gewisse gilt in unserm Fischhalter rinnenden Abfall begnügen, findet widerumben nicht plaz inmassen weilen fast der ganze Markt wegen unsauberer Brunnkästen, wo man alles hineinwascht, sowohl zum trinken als zum Kochen alles benöthigte Wasser aus diesem Brunn abhollet, das Wasser zu uns nicht größer als wie ein Stro-halm herein rinnt und sehr oft gar ausbleibt, fast alle Winter aber von weilen der Fluß viel zu klein, durch die Költe gefangen, und abgefröhrt wird. .... Es lieget mir in dem Fall einer Feu-ersbrunst, welcher Gott gnedigst verhüten wolle, es lieget dem chrfrstl. Pflegeschloss, es lieget dem Pfarrgotteshaus, und der ganzen Nachbarschaft daran, und eben diese hat ein Recht wie andere, in ihrer Gegend ein gemein Wasser zu haben.“ Ein Vergleich brachte das Ergebnis, daß der Status quo, den der Pfarrer P. Gregorius Mack geschaffen hatte, Bestand haben sollte.
Eine Kuriosität des Badbrunnens (und ein weiterer Hinweis auf seine Wassergüte), der mehre-ren Kötztingern das Trinkwasser lieferte: „ Als sich im vorhandtenen Padtprunnen ein toter Hund befunden  hat man dem Abdaecker am Raidtenstein von Woeckhtragung  desselben be-zahlt  12 kr.“  Ein toter Hund war unrein und wurde von den Bürgern nicht berührt. Für diese wie andere unehrenhafte Arbeiten hatte man den Abdecker.
Das Wasser wurde also in hölzernen Rohren in den Markt hereingeleitet und dann von Brunnen zu Brunnen weitergeführt. Die Qualität nahm von Brunnen zu Brunnen ab, sodaß sich ein Groß-teil der Bevölkerung mit dem Trink- und Kochwasser aus dem von dieser Leitung unabhängi-gen Badbrunnen bediente. Das Überfallwasser des vierten  Brunnens, in der Nähe des Rathau-ses,  wurde durch einen Wechsel geteilt und floß ins Kommunbräuhaus zum Bierbrauen. Zum Kochen und Trinken war das Wasser also bereits zu schlecht, aber zum Bierbrauen taugte es offensichtlich allemal.
Diese Röhren zu reparieren und die Brunnkörbe in Ordnung zu halten, war eine immerwähren-de Aufgabe und es vergeht kein Jahr, in dem nicht größere Reparaturen und Pflegemaßnahmen an den Brunnen und Röhren zu verzeichnen sind.
Zu diesem Zweck wurde ein Zimmermeister mit dem Titel eines Brunnmeisters versehen, der  dann pauschal einen Jahreslohn erhielt und immer zur Verfügung stehen mußte. Die hölzernen Röhren wurden aus Baumstämmen gefertigt, die im Normalfall im markteigenen Wärzlholz von Scharwerkern geschlagen, vom Brunnenmeister gebohrt und von anderen Schar-werkern nach Kötzting transportiert wurden.
Bereits in der ältesten erhaltenen Rechnung des Kastenamtes Kötzting von 1575 wird der Kötz-tinger Zimmermeister Hans Lang bezahlt, „daß er den Prunnkhar bei dem Schloss welches gar sehr vast gerunnen, gesoppt.“  Beim Schloß stand also schon damals ein Brunnen. Das Kasten-amt hatte in Kötzting nur das Schloß als Besitz und deshalb tauchen in dessen Rechnungsbü-chern auch nur Baureparaturen des Schlosses auf.
Im Jahre 1600 wird der Zimmermann Adam Winter erwähnt, „wie er das Prunnchor auf den Winter verdecken soll.“   Derselbe Mann wird dann 1610 als Schreiner und Prunnmeister be-nannt und erhält als Jahreslohn für das „Speisswasser beim Prunnchor beim Schloss“  2 Pfund und 2 Schilling Regensburger Pfennig.
Nach der Zerstörung des Marktes im Jahre 1633 finden sich in dem vor kurzem aufgefundenen Rechnungsbuch von 1635  zwei große Baublöcke: die Neuerrichtung des Rathauses und Repa-ratur der Wasserleitung im Markt. 147 Baumstämme, um Röhren zu bohren, wurden insgesamt gekauft.
 Kötzting hatte offensichtlich noch keinen Wassermeister, so daß drei (!) von außerhalb geholt werden mußten. Die Wassermeister von „Träxleinßrieth“, von Furth und der Hans Wühr von „Neunkhirchen“ wurden geholt, um die Stämme zu bohren und einzulegen. Drei „Wasserkhärl“ (Brunnkörbe) mußten neu gezimmert werden. Abweichend  von der Schilderung des Pfarrers Mack ist in den Rechnungen 1635 und in den in Kötzting liegenden Marktrechnungen noch von einem kleinen „Wasserkhärl“ vor dem obern Tore die Rede.
1635 Seite 13’: „Abermallen dem Wassermeister und seinen Knechten von eindeckherung des Wassers in den Grandt vor dem Obernthor, sowollen in die Khär, auch von etlichen Rehren einzelegen und den Stockh auszesezen geben 1 fl 4 kr 2 pf.“
Eine weitere Fundstelle für diese Ortsbeschreibung: „Dem Bürger und Hufschmied Hans Miller 6 fl 45 kr zu dem Wasserkhärl vor dem obigen Thor Chlämbl gemacht.“  Darüber hinaus ist noch eine, wohl gefaßte Quelle in der Flur bekannt, der „lintten Seigen“ oder später „Linkhen Seigen Brunnen“ genannt. Das Abfallwasser dieses Brunnens war vertraglich für jeden Tag geregelt und auf sieben Benutzer verteilt, die zu genau vorgeschriebenen Stunden das Wasser auf ihre Wiesen leiten durften, die alle im Einzugsbereich des Dampfbaches lagen, sodaß der Brunnen wohl auf der Hausinger Seite von Kötzting angesiedelt war. Aus späteren Briefproto-kollen wird der linke Seigenbrunnen dem Voglhof (Hausnummer 9) zugeordnet, ohne daß klar hervorgeht, ob der Brunnen beim Haus liegt oder auf dessen Pertinenzgründen.
1650 ist Gierl Georg als Brunnenmeister aufgeführt. 1664 heißt der Brunnenmeister Reitmeier Hans. 1678 ist Kaspar Staudacher lt. den Kötztinger Marktrechnungen in diesem Amt  und erhält für die Jahresarbeit 26 fl.
Die Brunnen wurden im Winter zugedeckt, um so lange wie möglich ein Einfrieren zu verhin-dern. 1674 wurden zur Eindeckung der fünf Brunnkare 58 Schitt Stroh gebraucht.
1678 lieferte der Wiesmüller Georg Laernpecher 42 Schwartling zur Eindeckung. Der Amts-cammerer Adam Riederer kaufte dann noch 15 weitere „Auswurfpreder“ zur Eindeckung.
1685 hieß der neue Brunnenmeister dann Müller Ander.  Zusammen mit seinem Bruder und zwei Abgeordneten des Rats wurde die Wasseranlage besichtigt und beschieden , daß „die Prünn und Rehren“ in schlechtem Stand seien.
1693  bei der Neuerrichtung des „Prunnchors bey des Sebastian Jauckhers Behausung“ (bei Pfarrer Mack ist dies der Brunnen beim Esterl Kramer) kann man aus der Materialliste ersehen, wie der Brunnen abgedichtet wurde. Es wurden verbraucht  „19 Pfund Hartspech, 12 Pfund Wachs und 6 ½ Pfund Leinwerch“ . An anderer Stelle  kommt dann „Unslet  (Unschlitt, Rin-dertalg), Pech und Werch“ zum Einsatz. Über den Geschmack des darin aufbewahrten Wassers kann man nur mutmaßen. Da im Winter diese drucklosen Röhren häufig zufroren und das Auf-tauen unmöglich war, mußten dann eben schnell neue Röhren gelegt werden.  „Nitweniger als die Gefrier das Brunnkharwasser und Rehrn abgefrert bei legung anderer Rinnen den Schar-werkern zahlt in Pier und Prot 12 xr. Für eine  Brotzeit also mußten die zum Scharwerk ver-pflichteten Personen im Winter neue Leitungen neben die zugefrorenen legen.
1702 hieß der Brunn- und Zimmermeister Mayer Georg. 1728 wird der erste steinerne Brunn-korb erwähnt, als der Steinmetz Axpoiger Johann Paulus aus Blaibach 66 fl erhält für die „Ma-chung und Aufsözung aines neuen stainernen Prunn oder Wasserchars nebst des Marktschrei-bers Behausung“ . Dem Marktschreiber gehörte damals ein Marktlehen am Marktplatz, jetzt Bäckerei Pongratz. Es handelt sich also um den zweiten Brunnen in der Kette (alte Hausnum-mer 19).
Dies ist die Situation in Kötzting bis zu Beginn der Amtszeit des Kammerers (Bürgermeister) Luckner. In einem Rechtfertigungsschreiben nach seiner Amtszeit im Jahre 1789 berichtet er: „In ao 1762 ist um Gebetslauten nachtszeit bei Franz Drunkenbolz ein Feuersprunst entstan-den, solche Behausung zu ganz abgebrunnen nebstbey hat auch die darnebenstehende Leckeri-sche Schuhmachersbehausung, wie auch das Spital Schaden gelitten. Bei dieser Feuersprunst war das größte Unglück daß solche Wintterszeit geschehen und nebstbey das gemeine Markts-wasser wegen der verhanden gewesten Kälte und den gehabten allzuwenigen Nachdruck abge-fröhrt und in kein einzigen Kaar nicht einmal ein Tropfen Wasser gewesen daß also das Was-ser, so zum Löschen gebraucht worden von dem Regenfluß hatte hergeschleppet werden müs-sen.“  Er hatte für seine Brauerei (er war der Besitzer des jetzigen Hotels zur Post) ein eigenes Brunnenwasser, „das 3 oder 4 Kirchthurm höher lieget und aus einem lebendigen Felsen ent-springt und also einen unaufhaltigren Nachdruck hatte, mithin ich selbsten am besten helfen könne.“ Er führte also sein Wasser mit dem Marktwasser zusammen, bis zu dem Teilstock vor dem obern Tor. Dieser Teilstock ist wohl der kleine Brunnkorb, der Jahrzehnte zuvor genannt worden war. Er läßt die Leitung auch durch seine Wiese, der Gehstorfer Wiese, legen, „indem es zuvor auf der Landstraß gelegen.“ Der Markt ersparte sich damit die Hälfte der jährlich an-fallenden Unterhaltungskosten. Dies war die Situation bis ins 19. Jahrhundert hinein. Im ersten Katasterband des Marktes Kötzting  sind  unter der Hausnummer 44, das ist das Rathaus, alle Grunddienstbarkeiten der Wasser- und Abwasserleitungen eingetragen. Der Unterschied zu den früheren Jahren liegt nur darin, daß jetzt auch der Handelsmann Windorfer ein Recht auf einen Teil des Marktwassers hat und sein Wasser auch ab dem Teilstock vor dem obern Markt be-kommt:
5 /12 der Bierbrauer Ignaz Schrank, 5 /12 die Bürgerschaft, 2 /12 der Handelsmann Windorfer (Hausnummer 138). Der Grund liegt in einer neuen Quelle in der Gradiser Flur, die der Windor-fer gekauft hatte und an die Marktwasserleitung angeschlossen hatte. Windorfer durfte auch für sein weiteres Haus (Nr. 43, jetzt Voithenleitner) die reguläre Marktleitung anzapfen. Nach Ge-brauch mußte er die Rohre wieder schließen, er hatte kein Recht am Überwasser.
Die Beschreibung der Schrankschen Wasserleitung gibt einen guten Einblick in die Situation im Bereich der jetzigen Holzapfelstraße. „Die Wasserleitung des Ignaz Schrank geht vom Teilstock vor dem obern Tor auf dem Platz negst dem Haus Nr. 156 und wird in hölzernen Röhren in der Seelhausgasse durch die Schanz hinabgeleitet, betritt unterhalb Plannummer 153 den Schloss-garten wieder von dort in hölzernen Röhren in den Bodingen geleitet aus welchen der Schloss-gärtner seinen Hausrat nach Bedarf nimmt, von diesem Boding läuft das Wasser in Röhren den Garten hinab und verläßt das Grundstück beim Garteneck negst Plan-Nr. 231 den Schlossgar-ten wieder. Von da führt Schrank das Wasser in Röhren wieder fort durch das Wackengassl dann zwischen dem Windorfer Garten und dem Schrankischen Garten Plannr. 217 hindurch in welchem er hiervon ebenfals das Wasser hineinleitet und endlich in sein Preuhaus Plannr. 199.“
Die Eintragung der Dienstbarkeiten für die Abwassereinleitung zeigen, daß es immer noch üb-lich war, das Abfallwasser auf die Gassen zu leiten. Zum Beispiel wird das  Abwasser aus der Haunummer 129 (Gasthaus Dreger ) durch den Misthaufen und unter anderen Gebäuden hin-durch beim Haus Nummer 124 (Tabak Liebl ) einfach auf den damaligen Marktplatz geleitet. Der Ausdruck Marktplatz wird auf viele Plätze in Kötzting angewendet, hier ist es der jetzt so-genannte Stachus. Auf diesem Marktplatz aber, ebenfalls vor Hausnummer 124, befand sich jedoch der Badbrunnen, der (s.o.) den Kötztingern das Brau- und Trinkwasser lieferte. Haus Nummer 18  (jetzt Marktstraße 30 ) ließ sein Odelwasser durch den Hof von Hausnummer 19 (Bäckerei Pongratz) und unter dem Haus Nummer 20 (Sperl ) auf die Metzstraße laufen.
In diesem Zusammenhang muß aber auf einen Unterschied zur heutigen Zeit verwiesen werden. Das Abfallwasser war nicht nur eine lästige Angelegenheit, sondern in vielen Fällen sowohl zur Düngung als auch zur Wässerung hoch erwünscht. In den Akten findet sich ein langjähriger Streit um die Abkehrung, also Umleitung des Wildwassers. Um das Wasser, das von den Fleischbänken die Gasse herablief und dem Bauwerk des Amtshauses (Metzgerei Wilder) sehr großen Schaden zufügte, wurde von mehreren Parteien heftig gestritten, da ein jeder es für sich und seine Wiesen reklamierte. Ein schön kolorierter Plan im Stadtarchiv Kötzting verdeutlicht die Situation hinter und  unterhalb des Amtshauses. Mit in den Weg eingelegten Baumstämmen und Röhren wurde versucht sich gegenseitig das Wasser, respektive Abwasser abzugraben und dann eine Vielzahl von Zeugen, hochbetagten Zeugen, aufgerufen, die beweisen sollten, wie das Wasser in früheren Zeiten abgelaufen war.
 

Abb. 3: Planskizze zum Abwasserstreit von 1763. Die „Fleischgasse“ ist das Gäßchen hinter der Bäckerei Graßl den Berg hinunter und weiter bis zum Lieblkeller. Die Nummern 8 bis 12 bezeichnen die Häuser an der Marktstraße vom Gasthof Pfeffer (8) bis zum Haus Voithenleitner (12), die ihr Regenwasser nach hinten weg ableiten. Der Prozeßführer Silberbauer bean-spruchte zur Bewässerung seines „Märklgartens“ (an dieser Stelle liegt jetzt das Anwesen Ser-wuschok) das „Wildwasser“ aus Richtung Fleischgasse, das u.a. zum Schutz des Amtshauses umgeleitet worden war (StA K, VI/32; Repro: C. Pongratz).
 
 

Zurück zur Wasserleitung im Jahr 1843:
Nach wie vor wird das Wasser vor Hausnummer 43 (Voithenleitner) geteilt. „Das Wasser des Bräuhauses wird in Röhren durch das Melbergassl und Lommergassl in die Wasserreserve des Breuhauses geleitet. Der übrige Teil des Wassers auf dem Marktplatz (hier Vorplatz des alten Rathauses) wird durch die Herrengasse zum Brunnchor auf dem Graben negst dem Landge-richtsstadel geleitet.“
Neben dieser Wasser Ver- und Entsorgung gab es im Markt noch mehrere Schöpfbrunnen, die sich in verschiedenen Kellern befanden. Wer vor der Marktsanierung je in den Kellern auf der linken aufwärtsführenden Seite der Marktstraße war, weiß, wieviel Wasser teilweise in den Kellern stand. 1661wollte eine Kötztinger Witwe  ihre Ansprüche am Glegerwasser sichern. Das Glegerwasser stellt ein Abfallprodukt der Brauerei dar und dient als Grundlage beim  Schnapsbrennen. Mehrere Parteien wollten sich das Glegerwasser sichern. Die Witwe Taller nun drohte dem Markt, im Falle der Ablehnung würde sie das Wasser, das aus ihrem Keller in das Brauhaus geleitet wird, absperren.
Thomas Rothauer, churfürstlich-bayrischer Braubeamter in Kötzting, berichtet von einem Orts-termin: „Der Thallerin Wasser, welches aus dem Kheller fließt und volgents in das Preuhaus zum waikhen und thails zum Preuen geführt würdet bet: haben die Cammerer alhier mich Preu-verwalter in selbigen Kheller gewisen: darinnen ich gesehen daß sy Tallerin solches Wasser nit mag aufhalten und wann sy gleich die dazue eingehente Thür verspörrter halten und dem Prunnmeister bey selbigen zuezusehen nit hinein lassen wollte, so mechte sie doch den Fluß nit aufghalten sondern trugde entlich durch die Thür.“
Am Marktplatz, vor dem Geschäft Tabak Liebl, lag der Badbrunnen. Im Katasterband von 1843 ist über ihn ausgeführt: „Auf dem Marktplatz befindet sich der sogenannte Badbrunnen, welcher -- er ist Eigenthum der brauenden Bürgerschaft, der Wasserfluß ist nach Bedarf des Braeuhau-ses - ein Schöpfbrunnen ist. Von diesem Brunnen wird das Wasser in hölzernen Röhren durch die Markt-, Müller- und Bräuhausgasse in das Bräuhaus geleitet. Vom genanntem Badbrunnen leitet - nebige Wasserleitung ist Eigenthum von Haus Nr. 100 (früher einer der beiden  Bader) und ist der Wassergenuß für ihn - der Advokat Müller das Wasser in Röhren in sein Haus, dann den Überfall derselben leitet er beim nordöstlichen Hauseck wieder zu dem vorher genannten Marktwasser der Gemeinde.“
Beim Neubau des Bierkellers des Kommunbräuhauses, später der Ludwigskeller, wird auch beschrieben, daß zur Zeit der Hollerblüte und der Hundstage das Bier sehr schnell schlecht wird.
Bei der Ausgangslage ist es wohl kein Wunder.
Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kommt dann die Aufforderung von Seiten des Magistrats, Fallrohre an den Dächern anzubringen, und es folgen  beginnend im unteren Markt in der Müllergasse die ersten öffentlichen Kanalbauten. Die durchnäßten Keller auf der linken Marktstraßenseite konnten erst im Zuge der Marktsanierung 1983/84 trockengelegt werden.
 
 

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